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realkapital Mittelstand KGaA – Geschäftsmodelle und die Geschichten dahinter

Erstellt von Christian Göttner | Braunschweig | | Corporate Investments

Seit fünf Jahren ist die realkapital Mittelstand KGaA als Beteiligungsgesellschaft in der Region tätig. Ihr Erfolgsmodell: Sie übernimmt, gemeinsam mit einem operativen Nachfolger, inhabergeführte, etablierte mittelständische Unternehmen mit einem Firmenwert zwischen 2 und 15 Millionen Euro. Die Investition von Anlegerkapital, die Organisation des Generationenwechsels, die Bündelung und Professionalisierung von Unternehmensbereichen in der Gruppe sowie die langfristige strategische und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Beteiligungsunternehmen gehören zu den vielfältigen Tätigkeiten.

Herr Lucas, Herr Lange, die realkapital Mittelstand wurde im Jahr 2017 gegründet. Was waren damals die Gründe dafür und wie hat sich realkapital Mittelstand KGaA seitdem entwickelt?

„Wir haben aus unserer betriebswirtschaftlichen Beratungspraxis heraus erkannt, dass im Bereich Unternehmensnachfolge ein riesiger Bedarf an Lösungen besteht, da die Banken allein die Herausforderungen nicht lösen können. Es gibt auf dem Markt eine sinkende Zahl an potenziellen familieninternen Nachfolgern, aber gleichzeitig, in der immer älter werdenden Generation, eine hohe Anzahl von Unternehmen, die zur Übergabe anstehen. Da haben wir ein grundsätzliches Dilemma. Wenn es trotzdem gelingt, Abgebende und Nachfolger zu finden, dann scheitern viele Übernahmen am nicht vorhandenen Kapital. Genau für dieses Thema sind mein Kollege Nikolaus Lange und ich angetreten: Wir bringen Kapitalbedarf und vorhandenes Kapital von Privatanlegern und Institutionen in der Region zusammen.“

Als ehemaliger Banker und Elektroingenieur spielen Zahlen eine essenzielle Rolle für Sie. Welche Bedeutung haben diese?

„Zahlen sind wichtig, aber uns interessieren vor allem die Menschen und was diese bewegen. Die Geschäftsmodelle und die Geschichten dahinter. Wie gelingt es, in Nischen-Branchen ein Unternehmen aufzubauen? Welche Existenzberechtigung gibt es dafür? Was sind die Alleinstellungsmerkmale, Besonderheiten und Erfolgsgeheimnisse? Wir legen bei realkapital den Fokus nicht darauf, eine Firma nur ein bis fünf Jahre lang zu finanzieren, sondern idealerweise bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Die Steuerungsgrößen sind nicht die Zahlen, sondern die Aktivitäten, die sich später hoffentlich in den Zahlen manifestieren."

Wie wichtig sind bei Ihrer Arbeit soft Skills wie Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und Kommunikationsfähigkeit?

„Wir betreuen als regionale Beteiligungsgesellschaft eine besondere Schicht von Unternehmen: Den inhaberfokussierten Mittelstand. Der Faktor Mensch spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn die Abhängigkeit von einer einzelnen Person ist bedeutend größer als in einem Konzern, wo die Verantwortung auf mehreren Abteilungen liegt. Das ist ein absolutes Kernthema bei uns, auch hinsichtlich Recruiting und in der Führungskräfteentwicklung.

Der Übernahmeprozess eines Unternehmens ist insbesondere für den Abgebenden höchst emotional. Man gibt quasi ein Kind, dass man viele Jahre lang großgezogen hat, ab. Es geht dabei auch um den Eintritt in eine andere Lebensphase, um finanzielle Absicherung, um den Wegfall einer großen Aufgabe und vielleicht auch um Machtthemen. Das ist eine bunte Gemengelage, mit der wir umgehen müssen. Wir sind nicht nur der Geldgeber, der einmal investiert, sondern auch der Mit-Unternehmer, Dienstleister und Sparringspartner, der mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Das ist eine intensive, ganzheitliche Betreuung. Unser Ziel ist es, den Namen und das Lebenswerk zu erhalten.“

Wie würden Sie den inhabergeführten Mittelstand in unserer Region beschreiben?

„Der ist gut ausgebildet und breit gefächert, wirtschaftlich gesund und lukrativ. Da gibt es ganz viele Perlen und Nischenanbieter mit Daseinsberechtigung und stabilen Geschäftsmodellen – nur oftmals gibt es keinen Nachfolger. Wir tragen mit unserer Arbeit dazu bei, dass diese Struktur erhalten bleibt. Wenn die Region nur noch an Konzernen hängt, geht viel an Spezialwissen und Identität verloren.“

Der Mittelstand wird als Motor und Zukunft der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Wie lief der Motor im Jahr 2022?

„Da gibt es extreme Verwerfungen. Geschäftsmodelle, die im Jahr 2021 funktioniert haben, sind 2022 eingebrochen. Weil diese zum Beispiel Energie- oder Rohstoffintensiv sind. Auch durch den Ukraine-Krieg – und die damit verbundenen Auswirkungen – haben sich innerhalb kürzester Zeit Faktoren in einer Intensität verändert, wie es in den vergangenen Jahrzehnten davor nicht vorgekommen ist. Deshalb gibt es einige mittelständische Unternehmen, die von einer guten, stabilen Ertragslage bis hin zum Abriss der kompletten Auftragslage, alles erlebt haben. Die Bauindustrie bricht beispielsweise zurzeit ein, der private Konsum ist rückläufig, die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß – und das wird sicher auch 2023 noch so sein. Da gibt es vieles, was weh tut. Insgesamt sehen die Unternehmenszahlen in Deutschland aber noch ganz gut aus.“

Wie reagieren Sie bei realkapital auf die Entwicklungen?

„Unser Modell ist es, dass wir uns nicht nur auf einzelne Branchen fixieren, sondern haben immer auf Diversifikation gesetzt. Zum Beispiel stammt nur zehn Prozent des Umsatzes unserer Portfoliounternehmen aus dem Automobilbereich.“

Warum sind der Generationenwechsel und die Unternehmensnachfolge in einem Unternehmen solch ein schwieriges Thema?

„Ich muss genau die Person finden, die bereit ist in die unternehmerische Verantwortung zu gehen – und dazu noch die nötigen Millionen mitbringt. Die Bereitschaft nimmt ab, sich auch mal in schwierigen Zeiten, sieben Tage in der Woche, mit dem Unternehmen zu beschäftigen und kaum Zeit für Familie und Hobbies zu haben. Mit dem Generationswechsel ist meist auch ein totaler Umbruch verbunden. Wir haben einige Unternehmen übernommen die patriarchisch geführt waren, von einem Senior-Chef, der alle Entscheidungen getroffen hat. Da gibt es mit dem Nachfolger oft völlig neue Führungsmodelle – da muss sich das Unternehmen erstmal völlig neu finden. Das ist ein heikler Prozess.“

Familieninterne Nachfolge oder externe Nachfolgeregelung – was sind die Vor- und Nachteile?

„Wenn eine familieninterne Nachfolge vorbestimmt, aber nicht gewollt ist, tut man seinen Kindern keinen Gefallen. Emotionale Aspekte sind oft kein guter Ratgeber bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Bei einem externen Nachfolger habe ich die Zeit und den emotionalen Abstand, genau zu prüfen, ob die Person passt. Letztendlich gebe ich ja auch mein Lebenswerk in fremde Hände.“

Nach welchen Kriterien beteiligt sich die realkapital Mittelstand KGaA als Erwerber oder Co-Investor an Unternehmen?

„Das wichtigste ist, das es ein funktionierendes, nachhaltiges Geschäftsmodell ist, die Branche eine Zukunftsfähigkeit hat und das Unternehmen nicht in einigen Jahren substituiert, nicht mehr benötigt wird oder ins Internet abwandert. Ansonsten haben wir auch einige finanzielle Rahmendaten und Kriterien: Das Unternehmen muss Geld verdienen, eine gewisse Ertragsstärke haben und einen möglichst stabilen Personalstamm, bei dem das Knowhow gut verteilt ist. Typischerweise haben wir einen Kaufpreiskorridor vom vier- bis sechsfachen des EBIT, also dem operativen Gewinn innerhalb eines Geschäftsjahrs. Das sind typische Multiplikatoren im Bereich des Mittelstands.“

Wie vermeiden Sie eventuelle Risiken bei der Akquise von Unternehmen?

„Wir haben uns ganz bewusst für ein sehr konservatives, Segment von Unternehmensbeteiligungen entschieden. Start-ups oder Firmen, die saniert werden müssten, sind uns letztendlich zu risikobehaftet. Risiko und Rendite stehen immer in einem sehr engen Zusammenhang. Es wird nicht gelingen mit überschaubaren Risiken gewisse Mehrerträge zu genieren. Man muss dann einfach mit einer anderen Intensität und personellen Mehraufwand in diese Unternehmen einsteigen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das wollen wir nicht. Wir wollen lieber die stabilen Cashflows, anstatt den spekulativen Gewinn. Die zehn etablierten mittelständischen Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, besitzen eine Wertbandbreite zwischen zwei und zehn Millionen Euro. Ansonsten können Kapitalanleger bei uns mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 100.000 Euro einsteigen. Aktuell haben wir rd. 60 Aktionäre.“

Welche Rolle spielt die Volksbank BraWo für realkapital?

„Die Volksbank BraWo ist aktuell unser größter Einzelaktionär mit 20 Prozent. Wir haben zudem ganz viele gemeinsame inhaltliche Anknüpfungspunkte und eine ähnliche Geschäftsphilosophie. Die Bank betreut unsere Zielgruppe – Unternehmen, die ein Nachfolgeproblem haben. Und auch unsere regionale Ausrichtung und der Geschäftsbereich sind identisch: Braunschweig plus eine Stunde Fahrt. Was wir, und die Volksbank machen, ist zudem ein ganz klares Bekenntnis zur Region. Das passt perfekt zusammen.“

Wie ist das Geschäftsjahr 2022 für Sie wirtschaftlich verlaufen und was erwarten Sie von 2023?

„Für uns ist 2022 ein Rekordjahr. Sowohl bei der Zahl unserer Beteiligungen als auch bei den Ertragszahlen. Wir haben eine zweistellige Eigenkapitalrendite erwirtschaftet. Damit kann man in diesem schwierigen Krisen- und Kriegsjahr vollkommen zufrieden sein. Für 2023 sind wir zurückhaltend optimistisch. Quantitativ sollen zwei bis drei Unternehmen pro Jahr hinzukommen. Mit der aktuellen Struktur können wir 25 Unternehmen im Portfolio haben, bevor wir den nächsten Wachstumsschritt gehen.“

Warum macht Geld glücklich?

„Der Slogan auf unserem aktuellen Flyer ist natürlich etwas provokant. Geld allein macht nicht glücklich, aber Geld in den richtigen Händen oder als richtiges Vehikel eingesetzt, kann natürlich schon glücklich machen. Mit unserem Geschäftsmodell versuchen wir nur Gewinner zu hinterlassen: Dem Verkäufer bieten wir eine passende Lösung und einen zufriedenstellenden Kaufpreis, seinem Nachfolger verhelfen wir zu einer neuen beruflichen Existenz. Die Mitarbeiter in den Unternehmen behalten einen sicheren Arbeitsplatz. Und unsere Aktionäre haben eine nachhaltige und regionale Anlage, die eine ordentliche Rendite erwirtschaftet.“

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Nicolaus Lange (l.) und Torsten Lucas (r.), Gesellschafter der realkapital Mittelstand KGaA sind nicht nur Geldgeber, sondern auch Mitunternehmer, Dienstleister und Sparringspartner. Foto: realkapital Mittelstand KGaA